Wie raubt man Baccus das Rampenlicht
Im November letzten Jahres las dich das erste Mal von ihr. Ganz unschuldig habe ich die New York Times aufgeschlagen und da war sie – Michaelina Woutier. Eine lange unentdeckte Künstlerin aus dem 17. Jahrhundert. Die Bilder im Artikel waren atemberaubend. Als ich dann auch noch gesehen habe, das eines ihrer Werke im kunsthistorischen Museum hier in Wien hängt, anders als viele andere die zum Beispiel in New York hängen, war mir klar – das muss ich mir unbedingt ansehen. Also habe ich das einzig logische gemacht. Ich bin nach New York geflogen. Spaß beiseite, ich bin ins kunsthistorische Museum gefahren, auch wenn New York ganz nett klang. Zwar ein paar Monate später aber besser spät als nie.
Das Bild, um das es sich handelt ist “Bacchanal”. Wie man dem Titel entnehmen kann, steht der römische Gott des Weines, Bacchus im Mittelpunkt des Bildes. Er liegt auf einem Barren und wird von zwei Männern mit Weintrauben gefüttert. Links sieht man ein Kind, das die Aufmerksamkeit eines Mannes erregen will und daneben einen Typ, der in ein Horn bläst. Rechts unten zu sehen sind Kinder, die mit einer Ziege spielen. Diese sieht nicht so amüsiert aus. Arme Ziege. Direkt über den Kindern und der Ziege sieht man eine Frau mit entblößter Brust. Das besondere an ihr ist tatsächlich nicht die raushängende Titte, sondern das Woultier sich in diesem Werk selbst verewigt hat. Man könnte annehmen es ist eine Liebhaberin oder gar Bacchus’ geliebte Ariadne, aber das ist hier tatsächlich nicht der Fall. Besonders an ihr ist auch, dass sie einen ansieht. Mitten ins Gesicht. Alle anderen Personen sehen einander an oder irgendwo in die Ferne. Aber Woultier wird nicht nur von uns angesehen, sondern erschafft die Illusion uns auch zu sehen. In meinen Augen raubt sie Bacchus damit das Rampenlicht.
Als ich mir das Bild länger angesehen habe, hatte ich das Gefühl sie will einem etwas vermitteln, als ob sie mich mit ihren Augen anschreien will, um mir etwas Wichtiges zu sagen. Sie will einem signalisieren das sie da ist und gesehen werden will. Distanziert von dem Kunstwerk. Vielleicht sogar in einer Welt, die wie das Bild, von Männern dominiert wird. Um ehrlich zu sein kann man da sehr viel rein interpretieren. Was sie wirklich gemeint hat, werden wir nie erfahren. Wer weiß, ob sie sich auch einfach aus Spaß in ihr eigenes Bild gemalt hat. Würde ich auch so machen, wenn ich malen könnte.
Je länger man das Bild anschaut, desto mehr fällt einem auf. Ich konnte mich als ich davorstand gar nicht sattsehen und werde es wahrscheinlich nie können. Ich empfehle es sich selbst anzusehen. Vor Ort habe ich alleine über zwei Seiten in meinem Notizbuch gefüllt und das war noch lange nicht alles.