Mittwoch, 15.01.2025

Eine Oper der anderen Art

Kabel, die vom Balkon hängen, schwarze Papierfusel, die am Boden verstreut sind und von braunem Staub überzogene Sessel. Dies alles war im Vorjahr in der Kammeroper vorzufinden. Hierbei handelte es sich jedoch nicht um Umbauarbeiten, sondern um das letztjährige Jugendprojekt des Musiktheaters an der Wien, das dann im April 2023 aufgeführt wurde: Eine Opernperformance unter dem Namen „SuperZero, Baby“.

Doch was ist eine Opernperformance? Diese stellt eine neue Form des Musiktheaters dar, die viele verschiedene Kunstformen, wie Schauspiel, Musik, Tanz, Gesang, Bühnenbild und Licht miteinander vereint. Sie steht im Gegensatz zur Oper, einer altmodischen und klassischen Kunstform, die sich zumeist nur an ein älteres, wohlsituiertes Publikum einer bestimmten Gesellschaftsschicht richtet. Folglich soll die Opernperformance eine Kunstform sein, die für viele unterschiedliche Personen, in diesem Falle vor allem Jugendlichen, zugänglich gemacht werden soll.

Nachhaltigkeit und Klima stehen bei diesem Projekt großgeschrieben. So beschreibt das Stück eine dystopische Zukunft, in der sich Klimageflüchtete nach der großen Klimakatastrophe in der einzig übrig gebliebenen bewohnbaren Gegend, der Zone Z, die aus einem Müllberg besteht, zusammenfinden. Hier fristen sie ihr Dasein, dumpstern in den Müllbergen, wo sie ein Gemälde von Klimt, einen Gedichtband und sogar einen lebendigen Baum, der für die Jugendlichen eine wahre Sensation darstellt, finden. Doch in all dem werden die Bewohner:innen der Müllhalde allmählich von Neid und Zerstörung heimgesucht.

Durch das große Thema der Produktion, Nachhaltigkeit, war es das Ziel, alles so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Dies bedeutete, nichts Neues anzufertigen und alles aus dem Kostümfundus zu beziehen. So wurde beinahe das gesamte Bühnenbild aus alten Theaterdekorationen oder sogar aus Müll gestaltet, ebenso wurden alte Requisiten wiederverwendet. Ganze Ladungen alter Radios, Fernseher und kaputter Möbelstücke wurden dafür vom Mistplatz in die Kammeroper bestellt.

Das Außergewöhnliche bei dieser Produktion ist nun, dass diese von den Jugendlichen eigens kreiert wurde. Vorgegeben war zu Beginn nur der Name „SuperZero, Baby“, und die wage Idee, dass es um Nachhaltigkeit und Klima gehen soll. Nach einem kleinen Casting für die Schauspieler:innen begannen die Proben unter der Leitung von Scharmien Zandi, einer österreichisch-kurdischen Künstlerin. Zunächst bestanden diese aus vielen Gesprächen zum Thema Klimawandel und Nachhaltigkeit. Es ging um dabei hochkommende Emotionen und die unterschiedlichen Zugangs- und Denkweisen der Jugendlichen bezüglich der äußerst aktuellen Problematik Klimawandel. Auf diesen Diskussionen aufbauend, entstanden allmählich die Figuren, sowohl allegorische als auch reale, und letztendlich das gesamte Werk.

Zeitgleich probte ein musikalisches Ensemble, das aufgrund einer Kooperation, vollständig aus Mitgliedern des Musikgymnasium Wien bestand. Passend zum Rest der Performance, trifft man auch hier auf keine konventionelle Vorgehensweise. So ist die Besetzung bestehend aus Horn, Trompete, Geige, Percussion, Ukulele, Bass und Gitarre ganz anders als bei einer klassischen Oper. Wie beim schauspielerischen Ensemble wurde auch hier, unter der Leitung von Multiinstrumentalist und Ensembleleiter Marc Bruckner, alles neu komponiert. Dabei wurde viel mit Improvisation, akustischer sowie elektroakustischer Instrumente gearbeitet, was insgesamt sehr ungewohnt für die Musiker:innen, die allesamt aus dem klassischen Bereich kamen, war.

Die Sitzposition der Musiker:innen bei diesem Stück war ebenso anders als gewohnt. So sitzen diese nicht wie gewöhnlich im Orchestergraben, sondern direkt auf der Bühne, wodurch sie sich auf einer Ebene mit den Schauspieler:innen befinden.

Ein weiteres Kennzeichen der Opernperformance ist der fehlende dramaturgische Bogen. So hängen die einzelnen Szenen nur lose zusammen. Dafür spielt in diesen der Ausdruck von Gefühlen eine umso wichtigere Rolle. So beispielsweise eine von einer süßen Geigenmelodie untermalte Liebesszene, oder eine ebenso intime Szene, die in warmes gelbes Licht getaucht, zur Begleitung von Horn, Geige und Ukulele einen innigen Tanz auf die Bühne bringt.

Doch auch dramatische Momente kommen nicht zu kurz, wie der Auftritt des Neids, der in Nebel gehüllt aus dem Orchestergraben emporklettert oder die allererste Szene des Stücks, bei dem zu beinahe atonalen Klängen des Ensembles durch einen Vorhang und Lichtern ein eindrucksvolles Schattenspiel entsteht.

Weiters spielen die interaktiven Elemente bei dieser Kunstform eine wichtige Rolle. Vor dem eigentlichen Beginn des Stücks, während das Publikum eintritt, wird dieses in den Alltag auf der Müllhalde hineinversetzt. Durchsagen wie „Die nächste Essensausgabe findet um 12 Uhr statt“ hallen durch den Saal. Den Zuschauer:innen wird somit ermöglicht, die Perspektive der angekommenen Flüchtlinge einzunehmen, was sie in die Mitte des Geschehens holt.

Trotz der angesprochenen Thematik Klimawandel begegnet man hier keinem erhoben Zeigefinger. Vielmehr werden die Zuschauer:innen bei dieser Performance durch die vielen Stimmungen und Gedanken, die auf der Bühne zum Ausdruck gebracht werden, zum Nachdenken angeregt. Die Kunst vermag es, Inhalte auf einer ganz anderen Ebene zu präsentieren und greifbar zu machen.

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