Oper - nichts für mich? Und ob!
Jeder Wiener kennt sie, jeder Tourist möchte sie sehen und jeder Opernliebhaber strebt an, einmal im Leben eine Vorstellung dort zu erleben: Die Wiener Staatsoper. Das Haus am Ring hatte 1869 eine schwere Geburt, da das Volk und darauffolgend Kaiser Franz Joseph I. die Form der Staatsoper u.a. als „versunkene Kiste“ verspottete. Etwa 80 Jahre später ereignete sich ein weiteres Unglück: eine Bombe schlug in die Oper ein, ganze 10 Jahre wurde der Großteil des Bauwerks restauriert, auf Grund der Zerstörung von u. a. dem gesamten Zuhörerraum.
Heutzutage ist die Staatsoper ein grandioser Ort für Kunst, Kultur und Freizeit. Doch viele Jugendliche werden sich nun denken: „Oper? Freizeit in der Oper? Nichts für mich!“, obwohl das eigentlich eine oberflächliche Einstellung von vielen ist. Im folgenden Artikel widmen wir uns den vielen Argumenten für die Oper, klären, wie ihr an eine günstige Karte kommen könnt und vieles mehr! Hierfür führte ich ein Interview mit Krysztina Winkel. Bereits seit vier Jahren ist sie Leiterin der Abteilungen Vermittlung & Outreach der Wiener Staatsoper, ein Programm, welches u.a. partizipative Projekte für Jung und Alt veranstaltet und somit auch der Jugend die Oper und das Ballett Stück für Stück näherbringt.
S(print): „Unsere Leser sind ja noch Jugendliche, wir sind ja auch selber die Jugendlichen, die für Sprint schreiben. Die meisten davon waren noch nie in der Oper, wissen vielleicht gar nicht, was das so genau ist. Warum sollte sich die Jugend überhaupt für die Oper interessieren?“
Krysztina Winkel: „Oper ist ja so eine ganz breite und komplexe Disziplin, die so viele andere Kunstformen vereint wie z.B. Bühnen- und Kostümbild, Musik, Bewegung oder Tanz, Licht- und Videodesign, und somit auch viele verschiedene Theater- und Regiesprachen sprechen kann. Ich glaube, dass durch das Zusammenführen von so verschiedenen Mitteln ganz viel Raum für Emotionen, aber auch Interpretationen und letztlich auch Diskurs darüber entstehen kann. Ein Raum, der einem entweder die Möglichkeit gibt, mit vielen Sinnen zu genießen und unterhalten zu werden, aber auch, um sich wichtigen Lebensthemen und -fragen zu widmen. Denn fast jede Oper verhandelt Themen, die sehr nah mit uns verbunden sind: es geht u.a. um Liebe, Freundschaft, Sehnsüchte, Macht(missbrauch) oder Fragen der Zugehörigkeit. Und ich glaube, dass das Themen sind, an die auch viele junge Menschen andocken und eine ganz eigene Brücke für sich erschließen können.
Weshalb würden Sie genau die Wiener Staatsoper empfehlen, also:
Wiener Staatsoper:
Warum?
Dadurch, dass wir ein Repertoirehaus sind, haben wir die tolle Möglichkeit, ein sehr breites Repertoire an Opern und Balletten, genauer gesagt über 60 unterschiedlichen Vorstellungen im Jahr, aus verschiedenen Jahrhunderten, in unterschiedlichen Inszenierungssprachen spielen zu dürfen, sodass die Vielfalt an Programmatik hier sehr besonders ist.
Zudem haben wir das Glück, mit großartigen Künstler*innenpersönlichkeiten und Kollektiven zu arbeiten: Wir haben ein tolles Ensemble, (Kinder-)Chor, mittlerweile ein Opernstudio, das Staatsopern Orchester und das Bühnenorchester, aber auch (das ist auch sehr besonders am Haus) eine enge Zusammenarbeit mit Gästen, die aus der ganzen Welt anreisen und man gemeinsam besondere musikalische und inszenatorische Momente genießen kann.
Die Wiener Staatsoper hat natürlich auch einfach eine beeindruckende Architektur mit tollen Räumlichkeiten. Dennoch verstehe ich auch, dass sich viele junge und auch ältere Menschen ggf. von der Hausfassade eingeschüchtert fühlen können. Erste Hemmschwellen zu nehmen und Angst durch Vorfreude und Neugier zu ersetzen, ist ein wichtiger Teil unserer Arbeit.
Was an der Staatsoper auch sehr besonders ist: Wir arbeiten mit tollen Gewerken, wie z.B. den ART for ART-Werkstätten zusammen. Jede Inszenierung ist bis ins Detail mit dem übergrößten Maß an Liebe und Expertise aller Theaterabteilungen gestaltet. Über jeden Hut, den man sieht, wurde nachgedacht, fast jede Perücke selber gemacht und diese Liebe zum Handwerk und für Bühnenkunst, bis tatsächlich „in die kleinste Haarspitze hinein“ ist wirklich umwerfend.
Sie sind ja seit 2020 Leiterin der Vermittlung und Outreach der Wiener Staatsoper. Sie hatten ein internationales Studium, zuerst in Bochum und dann Warwick, UK. Wieso hat sie eben diese Tätigkeit so sehr gereizt?
Nach dem ersten Studium war ich zuerst 4 Jahre an der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg. Da ich sowohl Oper/Theater aber auch Tanz liebe, war es toll, Vermittlung für ein Zweisparten-Haus in zwei Städten gleichzeitig zu denken. Nach einer Weile bin ich dennoch ins Nachdenken gekommen und habe begonnen einige Aspekte der Kulturinstitution Oper kritisch zu hinterfragen. Ich war sozusagen in einer kleinen Rebellionsphase mit der Oper und bin dann bewusst eine Weile von der Oper weggegangen, um mir in einem weiterführenden Studium, das sich unter anderem mit der (strategischen) Rolle von Kunst und Kultur in Transformationsprozessen beschäftigt hat, Raum für eben solche Fragen zu geben. Ich habe gemerkt, dass das, was ich an der Oper schwierig finde, ist, dass sie so geschlossen ist, dass sie zu einem großen Teil elitär ist und trotz vieler Vermittlungsinitiativen nicht für alle spricht, also eine Vielzahl an Menschen nicht mitdenkt oder repräsentiert. Da dachte ich: „Ja, jetzt kann ich von der Oper weggehen und mich darüber aufregen, oder das ändern!“ Ich glaube an die besonderen Chancen des Theaters für die Einzelne aber auch die Gesellschaft und wünsche mir, dass das mehr Leute kennenlernen können. So dachte ich: „Ich möchte Oper und Ballett nutzen, um Menschen zusammenzubringen und gemeinsam Kunst zu rezipieren und zu diskutieren und dass wir am Reden bleiben. Ich glaube nämlich, in einer polarisieren Welt wie heute, passiert das immer seltener und da ist für mich Kunst das beste Mittel.
Können Sie den jugendlichen Opernbesuchern eventuelle Zukunftspläne für die nächste Saison verraten?
Gern! Wir eröffnen diesen Dezember eine neue Spielstätte der Wiener Staatsoper, vor allem für junge Leute, direkt am Karlsplatz, keine 5 Gehminuten von der Staatsoper entfernt. Wir sind gerade in den letzten Zügen der Baustelle. Das wird eine Bühne mit ca. 250 Sitzplätzen, mit Orchestergraben, Schnürboden und dem ganzen Theaterzauber Drumherum. Damit bekommen nun vielmehr Projekte von jungen Leuten und experimentelle Formate eine professionelle Bühne. Auch die (Opern)Labs, die jetzt an einer anderen Bühnen sind, aber auch kleinere zeitgenössischere Produktionen für ein junges Publikum. Das ermöglicht uns einfach noch einmal unser Repertoire, vor allem auch für zeitgenössische Ausdrucksformen, zu erweitern. Wir werden über 100 Angebote in der ersten Saison anbieten: Workshops, Stücke, über 4 neue Uraufführungen und Premieren. Das Workshopprogramm verdoppelt bzw. verdreifacht sich sogar; also theoretisch kann man jetzt alle 2 Wochen einen Workshop o.Ä. mitmachen. Vieles von diesen Mitmachprogrammen wird kostenlos sein oder max. 10,00 EUR kosten, sodass man, wenn man Lust hat, seine ganze Zeit bei uns in der neuen Bühne verbringen kann!
Noch zum Schluss: Was wollen Sie den Lesern mitgeben?
Kommt in die Oper und ins Ballett! Abonniert unseren Instagramkanal! Give it a go! Bringt Freunde mit und meldet euch bei unseren Projekten an! Vielleicht will man ja auch mal gehen, doch hat keine Freunde, die mitkommen wollen, aber wir haben viele Programme, die darauf abzielen, dass man in Gemeinschaft in die Oper geht und da möchte ich alle dazu ermutigen, einfach mitzumachen. Ich habe wirklich sehr nette Kolleg*Innen, die Projekte betreuen; wir sind more down-to-earth, als die Leute, glaube ich, von uns denken: Wir sind nicht nur Anzugmenschen!
Wie ihr also lesen könnt: Als Jugendlicher kann man für einen sehr günstigen Preis die Oper besuchen. Zusätzlich können diejenigen, die Interesse an eigenen kreativen Ausarbeitungen, Herausforderungen und dem gemeinschaftlichen Erlebnis von Opern zeigen, eine große Auswahl an partitiven Programmen genießen. Noch dazu ist wichtig anzumerken: Auch im Hauptgebäude der Staatsoper wird der Jugendkarten im Bereich von € 10 bis 20,-, unter anderem durch das U27-Programm angeboten! *
So kann man durchaus meinen: Es erging wohl noch nie einem jungen Opernpublikum besser!“
*Nähere Infos findet ihr unter https://www.wiener-staatsoper.at/jung/