Mittwoch, 15.01.2025

Die Mitleidsfrage

Schon im Heldenepos „Parzival“, verfasst im 13. Jahrhundert von Wolfram von Eschenbach, geht es vor allem um eines: Mitleid. Auf seiner Suche nach dem heiligen Gral begeht der Ritter Parzival mehrmals Fehler, die er im Nachhinein wieder zu korrigieren hat. Er trifft dabei auf den Gralskönig Anfortas, der an einer schrecklichen Wunde leidet und sich später als Parzivals Onkel herausstellt. Die Wunde kann nur durch die Frage „Oheim…, wie ist Dir?“ (S.154)i geheilt werden.

Parzival scheitert zunächst an dieser Aufgabe, da ihm ein älterer Herr namens Gurnamans folgenden Rat gegeben hat: „Ihr sollt nicht so viel fragen!“ (S. 52) Daraufhin muss Anfortas erst einmal weiter leiden, bis Parzival zum Einsiedler und ehemaligen Ritter Trevrizent kommt. Dieser klärt ihn über Religion und seine Herkunft auf. Außerdem weist er ihn auf seine Fehler hin und erzählt, woran der Gralskönig leidet. In den vierzehn Tagen Einsamkeit bei Trevrizent erfährt Parzival somit eine Art psychische Katharsis. So gestärkt begibt er sich abermals zur Gralsburg, wo er schließlich Anfortas erlöst und zum neuen Gralskönig ernannt wird.

Doch was hat das Ganze mit unserem Alltag zu tun? Im Werk geht um das Stellen der Frage nach dem Wohlbefinden des anderen. Obgleich in Parzival etwas extrem ausgedrückt – Anfortas leidet an einer physischen Wunde – geht es heutzutage eher um das Prinzip: Menschen, die nie nach ihrem Gesundheitszustand gefragt werden, tendieren oft zu psychischen Problemen. Folglich könnte man Anfortas körperliche Wunde heute auf eine mentale übertragen: Personen, die wenig sozialen Kontakt haben, entwickeln häufiger mentale Krankheiten wie Depression.

In der heutigen Zeit liegt der Fehler, den wir machen, häufig jedoch nicht – wie bei Parzival – am Fehlen des Fragens: Zu viel Fragen kann ebenfalls negative Auswirkungen haben, solange das Gegenüber nicht weiß, warum man fragt. – Anschlag, Unfall, Mord: Wir alle interessieren uns sofort für negative Nachrichten. Es ist meist nur dieses Interesse, kein Hinterfragen oder eine mögliche Hilfestellung, an die wir denken: Uns interessiert nur das Geschehen allein. Die Mitleidsfrage ist ein Appell an uns und unsere Mitmenschen: Besonders jetzt ist es essenziell, das Allgemeinwohl der Gesellschaft zu pflegen, um eine friedfertige Zukunft zu ermöglichen.

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